Die schmerzhafte Geschichte eines Jungen, der mit Hilfe eines nächtlichen Monsters das Loslassen lernt, um seinen Frieden und seine Freiheit zu finden. Eine Mischung aus Selbstschutz, Schuld, Trauer und Hoffnung sowie fließende Grenzen zwischen Realität und Fiktion. Eine sehr gelungene und tiefsinnige Auseinandersetzung mit einem schwierigen Thema.
Das Leben des Conor O’Malley
Conor O’Malley hat es mit seinen 12 Jahren wirklich nicht einfach. Er lebt bei seiner alleinerziehenden und geliebten Mutter, die von ihrer Krebs-Erkrankung gezeichnet ist. Sein Vater, mit dem er sich bestens versteht, wohnt mit seiner „neuen“ Frau und Tochter meilenweit weg und sieht ihn eher sporadisch. Conor muss viel Verantwortung übernehmen, versorgt sich teilweise selbst und schmeißt auch mal routiniert den Haushalt, wenn seine Mutter verständlicherweise etwas schwächelt.
In dringenden Krankeits(rück-)fällen taucht seine distanzierte Oma auf, die für ihn alles andere als eine liebevolle und warmherzige Person darstellt. Zumal sie versucht Conor darauf vorzubereiten, dass die Zeit kommen wird, in der er bei ihr wohnen wird, wenn seine Mutter mal nicht mehr für ihn da sein kann – für ihn unvorstellbar. In der Schule bringen ihm die Mitschüler kein Verständnis entgegen – eher das Gegengteil. Der Junge ist schmächtig, introvertiert und gilt als Träumer, der statt im Unterricht aufzupassen, gerne zeichnet – ein Erbe seiner Mutter. Er scheint das perfekte Opfer für Harry und seine Freunde, die ihn regelmäßigen Prügelattacken unterziehen.
Der Albtraum
Dass die geballten Erlebnisse nicht spurlos an Conor vorbeigehen, zeigt sich schnell an einem Albtraum, den er nicht loswird: Er sieht die Kirche nahe seines Wohnhauses einstürzen, die vollständig im Erdboden versinkt. Der geöffnete Schlund droht eine hinabstürzende Person zu verschlucken, die Conor versucht zu retten. Dann wacht er auf – Nacht für Nacht wiederholt sich der Albtraum. Als er am Ende des Traumes wieder einmal schweißgebadet aufwacht, genau um sieben Minuten nach Mitternacht, beobachtet er die Eibe am Ende eines Hügels, die er von seinem Fenster aus beobachten kann. Sie verwandelt sich nach Befreiung der Wurzeln im Boden in ein riesiges Monster, das schnurstracks auf ihn zuläuft. Vollkommen irritiert, merkt Conor schnell, dass das Monster keine bösen Absichten hat – es möchte ihm drei Geschichten erzählen. Am Ende der drei Geschichten solle er ihm im Gegenzug seinen Albtraum erzählen, der „die Wahrheit für ihn enthalte“.
Sieben Minuten nach Mitternacht
Die folgenden Nächte stattet das Monster Conor genau um sieben Minuten nach Mitternacht einen Besuch ab. Es beginnt mit seinen Geschichten, deren Sinn er erst einmal nicht versteht. Sie handeln metaphorisch von Menschen aus Conors Umfeld, ihm selbst – und der Eibe. Sie sollen ihm einzelne Aspekte des Lebens lehren, ihn befreien, verarbeiten und hoffen lassen. Zwischenzeitlich wird seine Mutter wieder ins Krankenhaus eingeliefert, um alternative Therapien zu testen, denn es sieht schlecht aus. Conor ist derweil – wie befürchtet – darauf angewiesen bei seiner Oma zu wohnen, mit der er wenig gemeinsam hat.
Er erlebt eine Gratwanderung zwischen Realität und Fiktion, in der er Dinge tut, die er nicht vermuten ließ: Er zerstört aus Wut die Möbel seiner Großmutter und wehrt sich gegen seinen Mitschüler Harry. Er ist es leid, nicht behandelt zu werden wie jeder andere Junge, fühlt sich unsichtbar und wird nie bestraft. Conor durchlebt eine intensive Zeit, auf der Suche nach Antworten, Zuneigung und Befreiung – mit dem Ziel seinen eigenen Schmerz zu überwinden.
Vielschichtig
Nicht umsonst haben die literarische Vorlage und der Film einige Auszeichnungen erhalten. Das Buch stammt übrigens aus der Feder von Patrick Ness, der die Geschichte – von Siobhan Dowd inspiriert – nach deren Tod an Brustkrebs aufschrieb. Den Filmerfolg hat er nicht nur der Besetzung mit Sigourney Weaver, Felicity Jones sowie Neuling Lewis MacDougall zu verdanken. „Sieben Minuten nach Mitternacht“ ist anspruchsvoll und behandelt ein schwieriges Thema: die Auseinandersetzung mit dem Tod eines geliebten Menschen, das Loslassen. Der Film ist vielschichtig und inhaltlich komplex. Rückblenden, einzelne Details und das innere Erleben Conors – in Form einer Vermischung aus Realität und Fiktion – fügen am Ende alles zusammen.
Unterstützt wird die Auseinandersetzung der schwierigen Situation des Jungen durch den gekonnten Einsatz der Animationen, die klar zwischen den Welten real und fiktiv unterscheiden lassen, die Übergänge sind dennoch fließend. Conor schützt sich, indem er in seine Traumwelt flieht, greift Erfahrendes und Gelerntes auf und verarbeitet auf seine Weise, um letztendlich einen Abschluss zu finden.
Das Monster in Baumform hat etwas Bedrohliches und gleichzeitig etwas sehr Warmes und Philosophisches, wenn es den Mund aufmacht. Eine dunkle, sanfte Stimme, die ruhig Geschichten erzählt. Ein Baum, der Beständigkeit und Leben ausstrahlt. Wenn er wirklich sprechen könnte, müsste er weise sein, denn er lebt schon hunderte Jahre und wird seine Erfahrungen gesammelt haben, die er in Geschichten formen kann. Im Film tut er das tatsächlich auch. Zusätzlich besitzt speziell die Eibe ein Gift, das als Heilmittel verschiedener Krebsarten angewandt wird, das auch im Film eine Rolle spielt. So gesehen besitzt schon alleine das Baum-Monster so viele Bedeutungen, und das waren längst nicht alle.
Empfehlung!
Teilweise ist der Film recht traurig, man leidet schon fast mit. Conor muss mit seinen 12 Jahren schon einiges erleben und damit klar kommen. Die vielen Bedeutungsebenen machen den Film so spannend und faszinierend zugleich. Der Film kommt mit einer Altersfreigabe ab 12 Jahren daher, was meiner Meinung nach auch in Ordnung ist. Die Überlegung einiger Kritiken, ob die schwere Kost etwas für Jugendliche sei, kann ich aber nachvollziehen. Bei der Komplexität ist es fraglich, ob die Tiefsinnigkeit erfasst und verarbeitet werden kann. Es ist allerdings nicht zwingend notwendig, alles vollumfassend zu verstehen und man sollte die Jugend nicht unterschätzen.
Der Film kommt ab und an etwas düster rüber – gerade die Animationen haben etwas Mystisches und Dunkles an sich – durchaus gewollt. Die Zeichnungen Conors und seiner Mutter nehmen im Film eine wichtige Rolle ein – Conor bringt sie letztendlich zum Leben. Das wird ihm und dem Zuschauen aber erst am Ende bewusst.
Obwohl die Geschichte viel Fantasy intus hat, ist der Film auch für Nicht-Fantasyfans wie mich geeignet. Absolute Empfehlung – den würde ich auch ein zweites Mal schauen.
Der Trailer zum Film
Was genau?
Titel: Sieben Minuten nach Mitternacht (A Monster Calls)
Genre: Drama, Fantasy
Regie: Juan Antonio Bayona
Produktion: Belén Atienza
Jahr: 2016
Länge: 109 Minuten
FSK: ab 12 Jahren
Schauspieler (u.a.): Lewis MacDougall, Sigourney Weaver, Felicity Jones, Toby Kebbell
Land: USA und England