Vor ein paar Wochen war es endlich soweit: Die Oscars wurde verliehen und ich habe geschlafen. Nach der Enttäuschung, dass „Your Name“ für die Kategorie Animation nicht ausgezeichnet wurde, hatte ich so gut wie kein Interesse mehr, die Nominierungen zu verfolgen. Und doch blieb in meinem kleinen Nerdgehirn ein Film, über den in meinem Freundeskreis oft gesprochen wurde.
Zu meiner eigenen Schande habe ich nie die Comics gelesen, doch die beiden Verfilmungen von Hellboy habe ich gerne gesehen. Und auch Pans Labyrinth ist so einer dieser Filme, die ich immer wieder gerne bei Tee und Keksen in meinen DVD-Player schmeiße. So war mir von Anfang an klar, dass Guillermo del Toro mit „The Shape of Water“ mal wieder einen ganz besonders originellen Film auf die Leinwand zaubern würde, der einem nicht mehr so schnell aus dem Kopf verschwinden würde. Und vorab: Ich wurde nicht enttäuscht!
Der Film hat ganze vier Oscars in der Kategorie „Bester Film“, „Beste Regie“, „Beste Filmmusik“ und „Bestes Szenenbild“ abgeräumt und da ich den Film heute spontan im Kino gesehen habe, kann ich behaupten: zu Recht.
Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte
Schon der Plot ist so einfach gehalten, wie auch genial. In den 1960er Jahren arbeitet die stumme Reinigungskraft Elisa Esposito in einem amerikanischem Geheimlabor. Sie führt soweit ein einfaches Leben; zu ihren Freunden zählen ihr Nachbar Giles und die aufbrausende Arbeitskollegin Zelda. Sie selbst wohnt in einem kleinen Appartement über einem Kino, in dem sie auch manchmal Filme schaut.
An einem ganz normalen Arbeitstag bringen einige Wissenschaftler eine außergewöhnliche Kreatur aus Südamerika in das Geheimlabor. Mit dieser Kreatur – halb Mensch und halb Amphibie – fängt Elisa an, zu kommunizieren und letztendlich verliebt sie sich in das Wesen aus dem Wasser.
Verschiedene Charaktere – verschiedene Tiefen
Würde ich mehr zu der Handlung sagen, so würde ich zu viel spoilern. Die Handlung hat zwar einige Sprünge und macht Entwicklungen durch, die ich so zwar nicht erwartet hätte, aber einleuchtend sind.
Das Faszinierende an diesem Film war für mich aber nicht die Handlung, sondern die Charaktere. Vor allem die Protagonistin zeigt in ihrem Schauspiel ihr Können, denn die Szenen zwischen ihr und dem Wesen aus dem Wasser sind die, die im Film am meisten überzeugen! Das sie gar nicht spricht, nur mit Gebärdensprache kommuniziert, wird irgendwann vergessen, da die Charaktere um sie herum wunderbar mit ihr interagieren und das Geschehen somit weitergetragen wird.
Auch die beiden engsten Freunde von Elisa – ihr Nachbar Giles und ihre Kollegin Zelda – spiegeln gesellschaftliche Probleme wieder, die auch heute noch ihre Aktualität besitzen. Doch in der Handlung sind diese Charaktere nicht zu bemitleiden, zeigen durchaus Stärke und sind dem Zuschauer sehr sympathisch. Auch der Kontrahent Elisas – Sicherheitschef Strickland – ist zwar ein typisch wirkender Amerikaner mit einer typisch amerikanischen Bilderbuchfamilie, doch auch ihm wird eine gewissen Tiefe gegeben; die kuriose Eigenart, Bonbons zu essen, die er seit seiner Kindheit liebt, macht ihn dabei zusätzlich charismatisch und anders, als so mancher Bösewicht.
Auch das Wesen aus dem Wasser, dass in den stillen Szenen mit Elisa auf die eigene Art kommuniziert, wirkt höchst ästhetisch und besitzt eine so eigene, und doch fremdartige Art, die nach kurzer Zeit sympathisch wirkt. Und ja, zugegeben: Es erinnert weites gehend an Abraham „Abe“ Sapien, der sympathische Sidekick Hellboys (hohe Verwechslungsgefahr also auch meinerseits).
Unterwasserlook der 60er
Wer Guillermos Filme kennt, der weiß, dass seine Filme immer diesen gewissen, eigenen Look haben. Alles hat einen unvergesslichen Touch und wird so jedes Mal zu etwas Eigenem. Und auch hier zeigt sich die Liebe zum Detail des gelernten Maskenbildners; Das ganze Set ist immer wieder in einem grünen Ton gehalten und besitzt diesen eigenen Unterwassertouch; die Bonbons, Elisas Kleidung und die Wände ihrer Wohnung: alle haben einen grünlichen Ton! Tag und Nacht strömt es oft nach Regen und generell ist der Wasserverbrauch in diesem Streifen äußerst hoch! Für Menschen wie mich, die oft in etwas hineininterpretieren, ist da also eine Menge Stoff zum Verarbeiten.
Kurz noch ein paar Worte zur Musik: Der Soundtrack ist del Toro-typisch perfekt auf die Szenen zugeschnitten und fungiert tatsächlich gut im Hintergrund. Bei den Szenen zwischen der Wasserkreatur und Elisa wird diese etwas mehr präsent und ist immer noch eher zweitrangig, unterstützt aber die Stimmung und passt perfekt in jede Szene hinein.
Der Trailer zum Film
Summa Summarium: Groteske Liebesgeschichte, liebevolle Akzente
Die Handlung ist möglicherweise ab einem gewissen Punkt durchschaubar, wenn man die Filme von Guillermo kennt. Zwar gab es einige Wendungen, die der Zuschauer so sicher nicht erwartet hätte – und eben diese Szenen bleiben dann im Kopf – aber ich war mit dem logischen und durchdachten Ende des Filmes zufrieden. Vielleicht wird aber eben die Liebesgeschichte zwischen dem Wasserwesen und der menschlichen Elisa doch ein wenig auf überraschte Gemüter treffen, denn: diese Geschichte ist vor allem erwachsen. Und eben deswegen kommt man um solche Themen wie Sex und Begierde nicht drum herum. Dennoch rutschen eben diese Szenen nicht ins Komische oder gar Groteske, sondern man hat eher das Gefühl, dass sie einfach zur Erzählstruktur dazugehören.
Ein letztes Loblied an diesem Film, der mir nach einer Besprechung erst eingefallen ist:
In diesem Film dominieren starke Frauen. Frauen, die aus der Randgruppe ihren Vorgesetzten, die trotz Akademiker-Status in ihrem Rahmendenken „gefangen“ sind und diesen auch geschickt und mit viel Raffinesse die Stirn bieten.
Fazit
„The Shape of Water“ ist eine erwachsene Liebesgeschichte, die in feinen Nuancen gesellschaftliche Probleme der 60er und sogar der jetzigen Zeit aufzeigt. Wer mit einem einzigartigen Meisterwerks Guillermo del Toros rechnet, der wird mit diesem Film sehr zufrieden sein.
Was genau?
Titel: The Shape of Water – Das Flüstern des Wassers
Genre: Drama, Fantasy, Romantik
Regie: Guillermo del Toro
Jahr: 2017 (Starttermin Kino: 15.02.2018)
Länge: ca. 123 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Schauspieler (u.a.): Sally Hawkins, Michael Shannon, Richard Jenkins, Octavia Spencer, Michael Stuhlbarg, Doug Jones, David Hewlett, Nick Searcy
Land: USA