Unser Chef Bob hat wieder einen wichtigen Auftrag für uns. Als Time-Cops ist es unsere Pflicht Risse in der Zeitlinie zu verhindern. Also steigen wir vier in unsere Kapseln, voller Anspannung und Ungewissheit, wohin und in welche Zeit es uns diesmal verschlagen wird.
Die Zeitreise beginnt
Noch nie ist es mir so schwer gefallen ein Review über ein Spiel zu schreiben. Dies liegt nicht daran, dass es uns nicht gefällt, sondern weil man eigentlich nichts verraten möchte. Das Entdecken der Geschichte und das Erforschen der verschiedenen Gebiete ist das, was Time Stories zu einem ganz besonderen und neuartigen Spielerlebnis macht.
Spielmaterial
Sieht man sich das Spielmaterial an, erwartet man zunächst kein solch spannendes Spiel. Denn neben einem Spielbrett, Holzfiguren, Pappmarkern und einem Stapel Karten, der vor Spielbeginn nicht geöffnet werden darf, findet man nicht viel in der schön designten Spieleschachtel. Dafür wirkt das Material hochwertig und ist mit seinen Symbolen auch schnell verständlich. Hat man mit dem Spiel begonnen und bereits die ersten Karten gesehen, weiß man sofort, auf was die Spieldesigner ihren Focus gelegt haben. Die Karten, die im Spiel die verschiedenen Orte und Personen darstellen, sind aus dickem Karton und so schön illustriert, dass man sich nach dem Spiel am liebsten alle Karten anschauen möchte. Immer 3-5 Karten bilden nebeneinander gelegt mit ihren Vorderseiten einen Raum. Auf der Rückseite der Karten sind dann Texte mit genaueren Informationen, Gegner oder andere Ereignisse aufgedruckt.
Der Spielablauf
Hat man alle Marker, Figuren und den Spielplan bereitgelegt, kann die Zeitreise schon beginnen. Dazu legt man zunächst die Karten aus, die das Labor unserer Agency darstellen. Die Karten sind jeweils mit Buchstaben versehen, so ist die Reihenfolge sofort klar. Diese Karten werden dann nach und nach umgedreht und vorgelesen. Diese Karten enthalten die Vorgeschichte zu unserem Abenteuer. Dieses startet immer im Labor und wird von unserem Vorgesetzten Bob erklärt. Unsere erste Mission findet in einem Sanatorium statt, in dem es einen Riss in der Zeitlinie zu verhindern gilt. Für uns bedeutet das, dass wir in die Zeitkapseln steigen und unser Bewusstsein in Wirte aus dem Sanatorium transferieren. Im Spiel wird dies wieder durch Karten repräsentiert. Jeder der Spieler sucht sich nun einen der acht verfügbaren Wirte aus.
Die Geschichte beginnt
Als Insassen des Sanatoriums haben die Wirte alle ein psychisches Leiden, was sich auch in den Unterschiedlichen Werten wiederspiegelt. Es gibt aber ganz klassisch Wirte, mit einem hohen Stärkewert und gut Kämpfen können, oder die Leseratte, die einen Bonus auf Intelligenz besitzt.
Diese Werte sind für den Verlauf des Spiels besonders wichtig. Kommt es zum Kampf, müssen Kampfproben abgelegt werden. Möchte ein Charakter in einer Bibliothek mehr über die Zeit oder den Ort herausfinden wird eine Probe auf Intelligenz abgelegt. Bei einem Sprung über einen Abgrund ist Geschicklichkeit, der wichtige Wert.
Wir sind Rollenspieler
Alle Proben laufen nach demselben Schema ab. Auf der Karte, die von einem Charakter umgedreht wurde, ist die zu bestehende Probe genau erklärt. Diese enthält den Wert, auf den gewürfelt wird (Stärke, Intelligenz…) und die Schwierigkeit, sprich wie viele Erfolge gewürfelt werden müssen. Hat ein Charakter nun drei Punkte auf Stärke, darf er gleichzeitig drei Würfeln werfen. Dabei zählt jeweils ein Stern als Erfolg. Ob man einen Wurf mehrfach versuchen darf, oder man sogar Schaden von Misserfolgen erhält, steht ebenfalls auf den Karten. Rollenspieler, die mit Regelwerken von Pen&Paper-Spielen vertraut sind, werden sich schnell zurecht finden.
Neben dem Bestehen von Proben, ist das Erkunden von Umgebungen und das Enträtseln von Mysterien, ein großer Teil des Spiels. Betritt die Gruppe einen Neuen Raum, legen die Spieler alle dazugehörigen Karten aus. Der zuvor gewählte Zeit-Captain liest die Anfangskarte vor, die den Ort beschreibt. Anschließend wählt jeder Spieler, zu welcher Karte, also zu welchem Abschnitt des Ortes er sich begeben möchte. Hat jeder Spieler gewählt, liest man sich die Rückseite der entsprechenden Karte durch. Hier können neue Hinweise, Objekte oder Kämpfe auf die Time-Cops warten.
Beim Studieren der Karten ist es für die Atmosphäre wichtig, die Rückseiten nicht vorzulesen, sondern den Mitspielern zu berichten, was man entdeckt hat. Geschieht dies noch mit einer zum Charakter passenden Stimme, steigert dies die Immersion aller Spieler enorm.
Rätsel lösen als Team
So gilt es nun gemeinsam Rätsel zu lösen, spannende Orte zu erkunden und Kämpfe zu bestehen. Wichtig ist dabei natürlich immer, sich im Team abzusprechen. Sollte dies Mal nicht gelingen, gibt es ja noch den Zeit-Captain, der letztendlich das letzte Wort hat. Das Amt des Captains wandert reihum, so dass nach jedem Ortswechsel ein neuer Spieler zum Captain ernannt wird. Dieser hat dann auch die Aufgabe zu erwürfeln, wie viel der wichtigen Zeitpunkte beim Ortswechsel verloren gehen.
Für jedes Szenario, bzw. jeden Durchlauf eines Kapitels, hat man nur eine bestimme Menge an Zeitpunkten. Sind diese aufgebraucht, bevor man die Mission geschafft hat, hat man leider versagt. Neben dem schlecht gelaunten Vorgesetzten Bob, muss man in Kauf nehmen, dass das komplette Spiel resettet wird. Das bedeutet, alle zuvor gefundenen Gegenstände, Waffen, Landkarten etc. müssen wieder zurück in den Kartenstapel. Außer sie haben eine besondere Markierung, die besagt, dass man Karten behalten darf.
Hat man alles wieder in den Ausgangszustand gebracht, kann man das Kapitel von vorne beginnen. Der große Vorteil bei jeder weiteren Runde ist natürlich, dass man genau weiß, was sich hinter welchem Ort bzw. welcher Karte verbirgt.
Hat man zuvor einer falschen Person vertraut und dadurch wichtige Zeitpunkte und Ressourcen verschwendet, wird man diesen Fehler beim zweiten Durchgang sicherlich nicht wiederholen.
Somit wird man bei jedem Neustart effektiver im Umgang mit den Zeitpunkten und schafft es irgendwann den optimalen Weg zum Endgegner zu finden. Natürlich nur, falls man sich alles Merken kann, was im Durchgang zuvor passiert ist. Nicht selten wird man sich bei der Menge an Karten und Gegenständen fragen, woher man denn den einen Schlüssel oder die eine wichtige Information gefunden hatte.
Wieder zuhause
Hat man dann das Rätsel gelöst, die Bösewichte besiegt und den Riss in der Zeit verhindert, geht es zurück zu Bob, der einem sagt wie gut man sich geschlagen hat. Neben Punkte für die Mission, kann man noch Gegenstände für kommende Missionen bekommen, die den Spielern das Leben bei weiteren Zeitreisen vereinfachen können.
Fazit
Time Stories ist ein ganz besonderes und faszinierendes Spiel. Es ermöglicht allen Spielern ein völlig neues Spieleerlebnis. Egal, ob man Vielspieler oder Brettspiel-Neuling ist. Durch die Kooperation und die sehr einfachen und übersichtlichen Regeln, kann sich jeder komplett auf die Geschichte einlassen, ohne ständig wieder in den Regeln nachschlagen zu müssen. Wir kennen noch kein Brettspiel, bei dem die Spielregeln nur dazu da waren, den Spielern eine spannende Geschichte zu vermitteln, die sie selbst mitgestalten und darin eintauchen können. Und gerade das macht Time Stories zu etwas ganz Besonderem.
Außerdem hat es Time Stories geschafft Mitspieler von uns in Rollen schlüpfen zu lassen und diese auch zu spielen und zu verkörpern. Klar, das ist ein wichtiger Bestandteil des Spiels und der Atmosphäre. Besonders war für uns aber, dass auch Spieler Gefallen daran gefunden haben, die nie ein Pen&Paper-Rollenspiel mitgespielt hätten. Natürlich lassen sich Rollenspiel-Regelwerke, wie Dungeons and Dragons, nicht mit Time Stories vergleichen, dennoch bietet es einen schönen Einstieg ins Rollenspiel. Dieser wird von den tollen Artworks auf den Karten noch zusätzlich erleichtert.
Besonders gut gefallen hat uns auch, dass für jede Erweiterung des Spiels ein anderer Künstler für den Stil und die Artworks verantwortlich war. Man erhält jedes Mal Karten mit einem völlig neuen Zeichenstil, passend zum jeweiligen Setting.
Der wichtigste Punkt, weshalb uns Time Stories so gut gefällt ist aber die Zeitkomponente. Durch die Zeitpunkte wird die Prämisse des Spiels perfekt umgesetzt. Ständig hat man den Zeitdruck im Nacken. Da man ein Kapitel nie beim ersten Anlauf schafft, müssen die kommenden Wiederholungen perfekt geplant werden. So wirkt die Zeitreise-Geschichte des Spiels nicht nur aufgesetzt, sondern geht Hand in Hand mit der Spielmechanik. Macht ja auch Sinn, dass man alles bisher Erlebte noch weiß, wenn man zurück durch die Zeit reist.
So bleibt uns nur noch zu sagen: Falls ihr gerne gemeinsam spannende Geschichten erlebt und euch das Zusammenarbeiten und Diskutieren mehr Spaß bei Spielen macht, als sich gegenseitig zu bekämpfen, dann gebt Time Stories eine Chance. Ladet ein paar Freunde ein, sorgt für genug Knabberzeug und Getränke und ihr werdet garantiert einen grandiosen Spieleabend erleben.
Ich habe nach meiner ersten Partie von der Geschichte im Sanatorium geträumt. Wie sehr mich das Spiel beeindruckt und beschäftigt hat, muss ich dann wohl nicht mehr erwähnen.