Habe ich schon erwähnt, dass ich Bier mag? Was gibt’s dann Besseres als ein ganzes Buch darüber? Da der „Pub“ einer der Orte ist, an denen Bier seit Jahrhunderten in Kombination mit Speisen serviert wird, müssen wir als NerdPub natürlich der Sache nachgehen. Let’s have a drink, äh, Snack!
Bier mit Genuss
Der Autor Stephen Beaumont weist als Bier-Sommelier die beste Voraussetzung auf, das Buch „BIER: Kochen, kombinieren, genießen“ authentisch und wissensreich zu gestalten. Er arbeitete laut eigenen Aussagen fast 30 Jahre an dem Buch und das spürt man. Er präsentiert so allerlei informative Fakten, Geschmacksrichtungen und Biersorten, die nicht nur interessant sind, sondern die man auch gerne probieren und kombinieren möchten – Bier und Kulinarik – yammi. So wundert es nicht, dass auch er das ein oder andere Event veranstaltete und noch veranstaltet, zum Beispiel die „Bier-mit-Schokolade-Verkostung“. Klingt auch erst seltsam, ist es aber nicht.
Fangen wir von vorne an…
Die Einführung gibt einen Einblick in die Trinkkultur in Kurzform. Warum trinken so viele Menschen eigentlich Wein zum Essen und kein Bier? Daran sind die Franzosen schuld. Bier ist übrigens (höchstwahrscheinlich) das älteste alkoholische Getränk, mehr als 10.000 Jahre ist es alt. Wo das erste gebraut wurde, wird gemutmaßt: in Mesopotamien. Das antike Sumer – als Wiege der Zivilisation – lag fruchtbar zwischen Euphrat und Tigris am Persischen Golf.
Vom Wesen des Bieres
WASSER + MALZ + HOPFEN + HEFE = BIER. So einfach ist das – wenn das mal so wäre. Ein Bier zeichnet sich nicht nur durch gute Zutaten aus, die alchemistischen Vorgänge beeinflussen es maßgeblich. Mehr Malz bedeutet mehr Alkoholgehalt und mehr Restsüße, vergärt Würze mit untergärigen Hefestämmen bei kühlen Temperaturen, entsteht untergäriges Lagerbier, usw. Nach deutschem Reinheitsgebot besteht Bier nur aus diesen vier Zutaten, die Liste ließe sich aber natürlich durch Geschmackrichtungen und Aromenspektren erweitern. Das machen uns die Craft-Bier-Brauer vor, die durch bewusste Ablehnung des Reinheitsgebots nicht nur Gerstenmalz verwenden, sondern auch Roggen oder Hafer. Der Fantasie sind da keine Grenzen gesetzt: Früchte, Kräuter, Beeren – alles kann kombiniert werden.
Bierstile
Tja, eigentlich könnte man sich nun auf die „Klassiker“ beschränken – das wäre aber zu einfach. Der amerikanische Brauerverband hat mittlerweile 141 Bierstile anerkannt. Puh, um die alle zu probieren… da hätte ich noch genug zu tun. Das sieht auch Stephen Beaumont so. Er kategorisiert sie sinnvoll in Geschmacksrichtungen und die beiden Kategorien „gängige“ und „besondere“ Stile. Selbst hierbei kommt eine beachtliche Auswahl zusammen:
- Bittere, hopfenbetonte Ales (kräftig): Pale Ale, Best Bitter, India Pale Ale (IPA)
- Trockene, herbe Lagerbiere (frisch): Pilsner
- Helle, mäßig bittere Biere (gesellig): Helle, obergärige Biere
- Dunkle & süße malzbetonte Biere (sanft): Mild Ale, Brown Ales, Dunkles Lager
- Sehr dunkle & röstige Ales (kernig): Stout, Porter
- Rauchbier (rauchig): Räuchermalzbier
- Starke & malzbetonte Biere (beruhigend): Bock, Doppelbock, Schottisches Ale, Barley Wine & Old Ale
- Sauer, spontan- oder mischvergorene Biere (appetitanregend): Lambic, New-World-Stile mit Mischgärung, rote und braune Bier im belgischen Stil
- Erfrischend & schlanke Weizenbiere (durstlöschend): Berliner Weisse, Weizenbier im belgischen Stil, deutsche Weizenbiere, Weizenbiere im nordamerikanischen Stil
- Würzige & gewürzte Biere (aromatisch): Weizenbock im deutschen Stil, Gewürzbier
- Obstbetonte Biere (fruchtig): Frucht-Lambic, Frucht.Weissbier, Fruchtbier
- Experimentelle Biere (überraschend): Fassgereift, Kürbisbier, Kaffeebier, amazonisches Bier, neuseeländisches/ Aotearoa Pilsner und Pale Ale, Rye Pale Ale
Und das waren jetzt nur die Geschmacksrichtungen! Die meisten kennt man als Bierliebhaber, aber das ein oder andere neue ist bestimmt bei jedem dabei. Hilfreich auf jeden Fall die Aufteilung in die verschiedenen Geschmacksrichtungen, denn da weiß man genau, was man als erstes probieren sollte: das, was man am meisten mag. Das Tolle: Alle Kategorien der Geschmacksrichtungen sind mit „typischen“ Beispielen versehen – aus aller Welt, auch viele deutsche Beispiele. Persönlich finde ich die ausländischen Beispiele spannender, die sind nicht an jeder Ecke zu bekommen.
Bierkulinarische Tradition & Bierkulinarik heute
Wie kombinieren wir nun Bier und Kulinarik? Prinzipiell ist mindestens eine der vorgestellten Möglichkeiten oder Traditionen, die sich über Jahre oder sogar Jahrhunderte herausgebildet hat, bekannt: Das britische Pub, das bayrische Bierzelt, die belgische „Cuisine à la bière“, die tschechische Bierkulinarik, die Barküche in den USA, die japanischen Izakaya-Kneipen oder die Basics wie Pizza & Bier. Interessant hierbei sind aber nicht nur Traditionen an sich, sondern die Lehren, die daraus gezogen werden können: Aus der Bierkulinarik lassen sich „Regeln“ ableiten, zu welchen Gerichten, welche Sorte Bier am besten passt – länderspezifisch und im Allgemeinen. Hieraus haben sich köstliche Kombinationen ergeben, deren Kombinationsprinzipien nur allzu lecker klingen, sei es die „Bier-Cuisine“ aus Nordfrankreich oder die schwedische Bierkultur. Komplementäre Kombinationen, Kontraste, Kombinationen nach Kontexten. Es kommen einige Experten, Köche und Barbesitzer zu Wort, die so manch überraschende Rezepturen bieten: Oder haben Sie schon mal von Michelin-Koch Sririm Aylur gehört, der Bier zu indischer Küche so selbstverständlich wie das Amen in der Kirche serviert?
Gut kombiniert
Ehrlich gesagt habe ich noch nie so richtig über das Kochen mit Bier nachgedacht. Klar, habe ich das ein oder andere mal ausprobiert wie zum Beispiel Chili mit dunklem Bier, Kaffee und Schokolade, aber sonst? Die Möglichkeiten sind dabei so zahlreich: Marinieren & Einlegen, Saucen und Eintöpfe, Schmoren und Frittieren und was es noch alles gibt. Jetzt wird mir auch klar, weshalb das dunkle Bier so gut zum Chili passt: es gibt ein wenig karamelligen, süßlichen Geschmack und kann die Schärfe (wenn man es auch mal zu scharf macht) ausbalancieren.
Das Hauptstück: Bierköche & ihre Rezepte
Eigentlich ist es genau das, was das Buch ausmacht: Internationales Wissen über Bier, Zutaten und Kombinationsmöglichkeiten zu traditionellen oder speziellen Gerichten. Bierköche – ein Beruf, der richtig Spaß zu machen scheint, wenn man die Zeilen der einzelnen Menschen, die ihre eigene Koch-Erfahrungen mit Bier auf den nächsten 80 Seiten mit uns teilen, liest. Hierbei beschränkt sich die Auswahl der Köche nicht nur auf Amerika, sondern wird ausgeweitet auf Kanada, Japan, Brasilien, Australien, Italien, England, Belgien und Neuseeland. Die leidenschaftlichen Bierliebhaber zeigen uns jeweils mit einer kleinen, persönlichen Geschichte ihren Werdegang zum Bierkoch und ihre Lieblingsrezepte zum direkt Nachkochen. Die Rezepte sind sehr ansprechend präsentiert – mit einer Zutatenliste und einer Schritt-für-Schritt-Anleitung. Jedes Rezept wird nicht nur mit Bier zubereitet (mariniert, gekocht, eingelegt), es gibt auch zu allen Rezepten die passende Bier-Getränk-Auswahl. Deutsches Bier ist natürlich auch dabei, zum Beispiel das gute alte Kölsch zu Muscheln in Kokosnuss-Bier-Sauce, die mit Weizenbier gekocht wurde. Interessante Kombi, die man mal ausprobieren könnte.
Was passt wozu & Gastro-Tipps
Eine grandiose Idee für alle, die jetzt nicht sofort eines der Rezepte nachkochen möchten: eine „was-passt-wozu-Liste“. Die Listen sind unterteilt in verschiedene Speise-Kategorien wie „Käse & Wurst“, „Fisch & Meeresfrüchte“, Pasta, Pizza & Reis“ oder auch in „Rind & Schwein“ und viele mehr. Zu gängigen Gerichten wie zum Beispiel Spaghetti Bolognese wird eine Empfehlung abgegeben, welche Biersorte am besten als Begleitung passt – samt Beispielen. Zu eben erwähnten Gericht passt Bock perfekt, zum Beispiel das Monschof Bockbier, zur Bratwurst passt am besten ein Märzen wie das Hofbräu Oktoberfestbier – was auch sonst. Auf jeden Fall eine tolle Inspiration, um ab und zu mal zu spickeln, welches Bier zum Abendessen harmoniert und getrunken werden kann.
Empfehlenswert & mit viel Liebe zum Detail
Das Buch ist also wirklich gut durchdacht aufgebaut: Jeder, für die das Bier nicht nur zum Feierabend oder als Durstlöscher taugt, ist hier genau richtig. Für mich nicht unbedingt überraschend, aber das erfrischende Getränk passt zu jeder Gelegenheit: Weizenbier zum Kochen für Meeresfrüchte-Gerichte oder dunkles Bier (mein Liebling) zu Schoko-Desserts – einfach mal ausprobieren. Stephen Beaumont hat sich mit dem Buch richtig viel Mühe gegeben – das ist wirklich seinen Preis wert. Es enthält nicht nur die Geschichte und die ein oder andere Anekdote, sondern beleuchtet eigentlich alle Aspekte, die es über Bier zu Wissen gilt. Besonders inspirativ sind die Rezepte und die zahlreichen Biersorten, die vorgestellt werden – da hat man gleich Lust loszulaufen, um das ein oder andere auszuprobieren. Gelungen – für Bierliebhaber und solche, die es mal werden wollen. Und obwohl der Artikel nun viel länger geworden ist, als er eigentlich sollte, habe ich nicht (also wirklich nicht) annähernd alles verraten, was es zum Nachlesen gibt. Also ran und PROST oder eben EN GUADE!
Zum Autor
Stephen Beaumont bloggt und schreibt über das Thema Bier, u.a. für den International Herald Tribune und das Wine Enthusiast Magazine, und hat mehrere Bücher veröffentlicht. In seiner Heimatstadt Toronto hat er das „Beer Bistro“ mitgegründet. Mehr unter: beaumontdrinks.com. Weitere Werke von Stephen Beaumont sind „Great Canadian Beer Guide“ und „A taste for Beer“.
Was genau?
Titel: BIER: Kochen, kombinieren, genießen
Autor: Stephen Beaumont
Verlag: Prestel
Seitenzahl: 224, gebundene Ausgabe, 250 farbige Abbildungen, Cover mit hochwertiger Folienprägung
Erschienen: 03.10.2016
Preis: 29,95 €
Leseprobe gibt es hier