Starke Frauen braucht die Fantasywelt: Generell bin ich Fan von starken Charakteren, die sich nicht unterkriegen lassen. Sei es in ihren Handlungen oder moralischen Hintergründen. Leider findet sich nur zu oft der stereotypische, heroische Protagonist, der entweder schon zu Anfang oder im Laufe der Handlung den Moralapostel spielt. Am Ende wird er für seine Entscheidungen und die geglückten Schlachten mit Rosen und Konfetti beworfen, heiratet sein kluges, originelles Pendant und ist glücklich bis zum Ende seiner Tage.
Zu meiner großen Erleichterung gibt es solche Autoren wie Jay Kristoff, der die Welt mit seinem zynischen Schreibstill und der Handlung seines Buches Nevernight: Die Prüfung ein wenig schöner macht!
Mia Covere – Protagonistin und Assassine in Ausbildung!
Der Autor selbst, so heißt es im Klappentext, glaubt nicht an Happy Ends. Und eben dieser sarkastische, humoristische Unterton hat Jay Kristoff in dem Auftakt seiner Buchreihe eingearbeitet!
Mia Covere und ihre Familie sind vom hohen Rang, ihr Vater wird „der Königsmacher“ genannt und genießt am Hof der Metropole „Gottesgrab“ hohes Ansehen. Alles könnte so schön sein. Doch als Mia 10 Jahre alt ist, wird ihr Vater wegen Verrat gehängt – vor ihren Augen. Ihr Leben gerät aus den Fugen, sie will Rache. Just in diesem Moment erscheint ein Schattenwesen in Form einer Katze, die ihr fortan nicht mehr von der Seite weicht…
Mias Familie wird gefangen genommen, sie selbst kann fliehen und findet Zuflucht bei dem alten Mercurio. Der alte Mann gilt zunächst als eine Art Antiquitätenhändler, doch er sieht in dem jungen Mädchen mehr und gibt sich als Shahiid preis. Er ist ein Assassine aus dem Orden der „Roten Kirche“, der Mia, wenn sie alt genug ist, zur eben solcher ausbilden soll.
Im Alter von 16 Jahren…
wird Mia – nun gereift und klüger mit einer zusätzlichen Zigarillo-Sucht – zur „Roten Kirche“ geschickt, die sie in einer riesigen Wüste erst einmal finden muss. An ihrer Seite ist immer noch das Schattenwesen, die Nicht-Katze Herr Freundlich. Durch ihn nennt man sie eine Dunkelinn. Das Wesen ist in der Lage, ihre Angst vor allem und jedem in sich aufzusaugen.
Der Weg zur Kirche ereignet sich als schwierig, aber nicht unlösbar. Was wirklich schwierig ist, sind die Aufgaben, die sie im Orden erwarten und an denen sie wachsen muss. Trotz dessen, dass sie nicht alleine ausgebildet wird und Gleichgesinnte kennen lernt, muss sie sich immer wieder vor Augen halten, dass jeder den Posten als „Klinge“ innerhalb der Kirche möchte. Und dass jeder nach dem Leben des anderen trachtet.
Mia will Rache. Rache am Senat der itreyanischen Republik. Und drei Männer macht sie für den Tod ihrer Familie verantwortlich: Konsul Scaeva, Kardinal Duomo und Justicius Remus. Und doch muss sie während ihrer Ausbildung sich mit der Frage rumschlagen, was sie eigentlich ist.
Noch außergewöhnlicher als die Handlung: Der Stil
Allein die Handlung ist spannend genug, doch Jay Kristoff schafft es durch seinen originellen Stil, seine Leser nach dem Stoff süchtig zu machen.
In Fußnoten wird alles zu der Welt, in der sich die Handlung aufbaut, an den richtigen Stellen erklärt: Historische Fakten, Orte, Trivia zu Personen und den Wesen, die in Itreya auftauchen. Auch wird Mias Vergangenheit in kursiv erklärt, ohne dass ganze Kapitel für diesen Part verbraucht werden. Das Geschehen wird an keiner Stelle unterbrochen und die Sprache geht oft ins metaphorische, künstliche. So wird Mia neben der Ansprache: „Mi donna“ auch oft „Bleiche Tochter“ genannt, weil sie eben nicht die schönste, sondern eher dürr und bleich mit Augenringen porträtiert wird. Die Tage werden „Wende“ genannt und eine Nacht ist eine „Nimmernacht“. Beim Lesen wird dabei schnell deutlich, dass sich vor allem bei Orten und Benennung von Gegenständen etc. ans Italienische orientiert wurde; da passiert es manchmal schon selbst, dass man vor dem inneren Geiste Mias Nachnamen Covere oder die Republik Itreya mit italienischen Akzent ausspricht.
Die Handlung, trotz zynischer und fluchender Wortgewandtheit seitens Mia behält ihre Ernsthaftigkeit. Kristoff ist sich nicht zu schade, sympathische Charaktere zu töten, eine Folterszene in seinem Stil auszuschreiben oder eine prickelnde Liebesnacht auszuschmücken.
Bitte mehr davon!
Mia war mir schon ab dem ersten Kapitel sympathisch; sie ist keine Mary Sue und die Tragödie ihrer Familie macht sie zu einem glaubwürdigen, authentischen Charakter. Ihre schroffe Art und die bewusste Entscheidung ihrer Taten ist niemals naiv und auf gar keinem Fall benimmt sie sich wie eine hochgeborene Lady, der das Glück zuspielen muss. Sie raucht, nimmt die Zügel selbst in die Hand und ist selbstbewusst. Das Buch hat noch in weit fortgeschrittener Handlung ein paar Twists und Überraschungen parat, mit denen ich nicht gerechnet hätte!
Für jeden Assassin’s Creed-Liebhaber ein Muss!
Das ich von dem Buch begeistert bin, ist spätestens hier kein Geheimnis mehr. Durch die Verlinkung an Italien lege ich dieses Buch jeden Assassin’s Creed-Spieler zu Herzen. Schließlich geht es um Assassinen, um Rache und eine hohe Familie. Auch das ältere Publikum sollte sich der Buchreihe annehmen und Menschen, die sowieso auf den etwas düsteren Trip sind und sich wünschen, dass die Protagonisten mal fluchen und rauchen, sind mit dem Buch gut bedient. Das Spiel (Band 2) erscheint am 25. April dieses Jahres.
Noch erwähnenswert
Die Künstlerin Cira Las Vegas hat zu dem Roman ein DIY-Cosplay angefertigt – hier der Link dazu:
Was genau?
Titel: Nevernight: Die Prüfung
Autor: Jay Kristofft
Verlag: FISCHER Tor
Seitenzahl: 704, Hardcover mit Schutzumschlag
Erschienen: 24.08.2017
Preis: 22,99 €
Leseprobe gibt es hier