Wir schreiben das Jahr 1977. Holden Ford und Bill Tench sind ambitionierte FBI-Agenten, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, zahlreiche noch ungelöste Mordfälle aufzuklären. Warum nicht mal eine ungewöhnliche Ermittlungsmethode testen und diejenigen fragen, die sich (außer ihnen selbst) am besten damit auskennen?
Kategorie: Serienmörder
Also ab ins Gefängnis und Serienmörder befragen, wieso sie gemordet haben, welches Täterverhalten sie an den Tag legten, wie sie ihre Opfer inszenierten, wie sie diese auswählten und was das Ganze mit ihrer Kindheit zu tun hatte. Die ersten zaghaften Versuche der Kriminalpsychologie.
Die hier für damalige Zeiten sehr befremdliche Art der Ermittlungen erntet hierbei viele ungläubige Blicke, aber nicht nur Ford und Tench sind überzeugt, dass ein völliges Verstehen und Nachempfinden der Taten weitere Morde verhindern können. Dr. Wendy Carr, eine Professorin am Boston College, gesellt sich zum Team. Sie hilft die unzähligen Interviews auszuwerten und die einzelnen Personen dahinter in eine Art „Serienmörder-Kategorie“ einzuordnen, um dementsprechende Schlussfolgerungen treffen zu können.
Die Gespräche sind somit der Hauptbestandteil der Serie, die sich das Duo aber auch hart erkämpft hat: Sie überwinden Selbstzweifel, rückständige Bürokratie, psychische Spielchen der interviewten Täter, interne Ermittlungen und emotionale Rückschläge. Krasses Business. Mindfucking.
Was bleibt zu sagen? True Crime eben.
Die Serie basiert auf einem Roman, in diesem Falle von John E. Douglas und Marl Olshaker – nämlich Die Seele des Mörders. 25 Jahre in der FBI-Spezialeinheit für Serienverbrecher (engl.: Mindhunter: Inside the FBI’s Elite Serial Crime Unit). Warum das erwähnenswert ist? Weil Douglas selbst Fallanalytiker war und Holden Ford sozusagen sein (fiktives) Nachbild ist. Die beiden Gefährten Tench und Carr basieren ebenfalls auf reale Vorbilder, nämlich auf dessen damaligen Kollegen sowie einer Professorin aus Boston. Aus meiner Sicht ein kleines, aber feines Details, das die Serie noch sehenswerter macht, denn auch die Interviews sind den „echten“ Gesprächen vor Jahrzehnten nachempfunden.
Wer sich mäßig für True Crime interessiert, dem werden die Namen der befragten Serienmörder eventuell bekannt vorkommen: Edmund Kemper (Co-Ed-Killer), Jerry Brudos (Shoe Fetish Slayer) und vor allem Dennis Rader (BTK-Killer). Sie sind reale Personen, die Mitte/Ende der 60-er und Anfang der 70-er zahlreiche Morde begangen haben und als Serienmörder bezeichnet werden können.
Auffällig gut gelungen ist die Ähnlichkeit der Serientäter zu ihrem „echten“ Pendent, zum Beispiel Kemper: über 2 Meter groß, mächtig, Schnauzbart.
Kemper ermordete, vergewaltigte, verstümmelte und zerstückelte mehrere Frauen, nahm einige sogar mit in das Haus seiner Mutter, um sich danach nochmals post mortem zu vergehen. Gruselig sind die Interviews alle mal – wenn man sich ins Gedächtnis ruft, dass das, was die Menschen hier manchmal recht lapidar erzählen und beschreiben, tatsächlich so passiert ist.
Und noch eine Sache: Kennt ihr die ganz schön hässlichen braun-beigen Fliesen in älteren Bädern? Ja, das hat so Siebziger-Flair. Das haben sich die Serienmacher auch gedacht und haben kurzerhand einen maßlosen Braun-Beige-Filter über die Einstellungen gelegt – und fertig. Wirkt aber. Die Telefone mit Schnur natürlich auch. Retro-Szenenbild, das ich gerne mag.
Der Trailer zum Film
Fazit
Crime-Fans oder wer eben David Fincher mag (House of Cards oder Fight Club) sollte die Serie auf jeden Fall schauen – am besten abends im Dunkeln. Staffel 2 ist übrigens in der Mache.
Kritik, die oft genannt wird: Es passiert nicht viel. Naja… wir sollten nicht vergessen, dass Ford und Tench hier versuchen komplexe Profiling-Methoden zu erarbeiten. Das ist eher durch viele Gespräche möglich als durch Krawall und Bumbum. Also: Wer das sucht, wird enttäuscht – tatsächlich ist eine konzentrierte Handlung gewollt.
Was genau?
Titel: MINDHUNTER
Kategorie: Thriller, Drama
Staffeln: 1+
Folgen: 10
Länge: ca. 35-60 Minuten
Jahr: Oktober 2017 auf Netflix