Beim Namen Robert Louis Stevenson sollte es bei einigen klingeln – hat er doch große Werke wie „Der seltsame Fall des Dr. Jekyll und Mr. Hyde“ oder „Die Schatzinsel“ verfasst. Diese können in jeglicher Form überzeugen, so wird es mal Zeit sich mit seinen anderen Geschichten zu befassen, die er als Autor veröffentlicht hat. Wenn das als Comic möglich ist – her damit. Die Graphic Novel „Der Selbstmörderclub“ ist mit ihrem Veröffentlichungsdatum im Jahre 2012 nicht mehr ganz neu, aber auf jeden Fall einen Blick wert. Clément Baloup und Eddy Vaccaro brachten Stevensons Erzählung „The Suicide Club“ von 1878 frei interpretiert in ein tolles (Comic-)Format.
Um was geht’s bei „Der Selbstmörderclub“?
Prinz Florizel von Böhmen ist ein besonderer Charakter: eigentlich möchte er jeden Abend ein neues Abenteuer erleben, sonst wird es ihm zu langweilig. Am besten ein gefährliches Abenteuer. Immer an seiner Seite ist sein treuer Begleiter Stallmeister Oberst Geraldine. Als sie abends in einer Londoner Gaststätte auf einen jungen Mann treffen, der Cremetörtchen verteilt und einen „lebensmüden“ Eindruck macht, ist das Interesse geweckt. Sie kommen ins Gespräch. Was der junge Mann zu erzählen hat ist eine interessante Sache: Es existiert ein Club, der eine Besonderheit besitzt: es ist ein Selbstmörderclub für alle, die abdanken möchten, aber nicht mutig genug sind. Prinz Florizel wittert eine Herausforderung und will natürlich Mitglied werden. So führt sie der Cremetörtchen-Mann ein, die Voraussetzung: Lebensmüdigkeit. Nachdem der Präsident des Clubs dies bestätigt, kann das „Spiel“ beginnen.
Das Spiel des Todes
Der Club besitzt ein mysteriöses Kartenspiel-Ritual: Alle Mitglieder nehmen an einem Spieltisch Platz, der Präsident teilt reihum Karten aus. Wer nun das „Glück“ hat, erhält Pik-Ass, ist somit das nächste Opfer und wird sterben. Erhält ein Spieler Kreuz-Ass, wird er der Mörder vom glücklichen Pik-Ass-Besitzer. In der Runde, an der auch Prinz Florizel und Oberst Geraldine teilnehmen, übernimmt der Cremetörtchen-Mann die Rolle des Mörders und sein Opfer wird Bartholomäus Malthus, ein älterer Mann, der bereits einige Jahre Mitglied ist. Am nächsten Tag ist er tot, sein Mörder geplagt von Gewissensbissen. Prinz Florizel ist schockiert und möchte trotz Treueschwur für den Club dem Treiben nicht untätig zusehen. Somit beginnt sein eigenes Spiel, zumal er am zweiten Abend selbst die Karte des „glücklichen“ Opfers zieht und sein letztes Stündchen geschlagen hat.
Mord, Intrigen und überraschende Wendungen
Eine spannende Jagd beginnt. Obwohl Prinz Florizel Abenteuer sucht, ist er nicht bereit zu sterben. Oberst Geraldine findet eine Möglichkeit ihn zu retten und den Präsidenten nicht ungeschoren davon kommen zu lassen. Dieser wird mit Geraldines Bruder nach Paris verfrachtet, wo er in einem Duell mit ihm sterben soll. Der Präsident ist allerdings etwas ausgebuffter als gedacht und schmiedet eine Intrige gegen Geraldines Bruder. Es wird gestorben, geschmiedet, gelitten, verloren und gewonnen – und da ist noch der Arzt und der Saratogakoffer. Es soll spannend bleiben, so sei genug verraten.
Zeichnungen
Die Zeichnungen sind außergewöhnlich. Sie haben einen sehr skizzenhaften Touch, haben fast den Charakter eines Sketchbooks. Ich persönlich mag den Stil sehr gerne, sie wirken für mich fast wie kleine Gemälde, etwas aquarellig, deutlich die Handarbeit des Zeichners erkennbar. Die Personen wirken etwas schemenhaft, eine detailreiche Mimik bleibt durch den Zeichnungsstil zwar aus, was der Überzeugung oder der Vermittlung der Emotionen und Situationen keinen Abbruch tut. Sie sind einfach nicht so fotorealistisch wie heute in vielen Comics oder Grapic Novels anzutreffen – sehr gelungen! Unterstützt wird der Stil durch die einheitliche Farbgebung (quasi Ton in Ton), die die einzelnen Panels harmonisch zusammen wirken lassen. Es werden fast ausschließlich Nuancen derselben Farbe in verschiedenen Intensitäten verwendet, ganz deutlich auf Seite 8 erkennbar. Besonders interessant und faszinierend finde ich hierbei die Schattierungen, die maßgeblich zur Plastizität beitragen. Die Panels an sich besitzen keine geradlinige Abtrennung, sondern sind recht frei „verschwommen“, was das Malerische der einzelnen Zeichnungen noch verstärkt. Mein absolutes Highlight ist aber das Titelbild, das würde ich mir auch so an die Wand hängen.
Lohnenswert?
Aber auf jeden Fall! Die Geschichte wurde vom Autor Baloup zwar frei adaptiert, büßt aber keine Qualität ein – das Original ist deutlich erkennbar. Wenn ich ehrlich bin, kannte ich die Geschichte vorher noch nicht, bin aber ein Fan von Stevenson. Er hat es drauf seine Geschichten so zu verfassen, dass sie verwirren und man erst gar nicht so richtig folgen kann. Als Leser bleibt man aber dran, so möchte man die Story dann doch verstehen und auflösen. So ging es mir anfangs auch, es hat sich dann aber doch gelohnt zu Ende zu lesen. Nach Beendigung der Lektüre musste ich erst einmal etwas googlen und eine Rezension zum Original lesen, um herauszufinden, in wie weit der Autor der Graphic Novels von Stevensons eigentlicher Ausgabe abweicht. Er tut dies zwar, aber wirklich in einem ertragbaren Maße. Hätte ich ja sowieso nicht gemerkt, hätte ich nicht recherchiert. Allerdings verstehe ich nun auch, dass Baloup seinen eigenen Stil einbringt. Er kommuniziert etwas direkter als in der Version von 1878, was aber durchaus gewollt ist. Insgesamt eine tolle Ausgabe, bei der man noch richtig was über große Literatur lernen kann. Literatur-, Kunst-, Comic-Fans und Anhänger des großen Literaten Stevenson sollten sich die Wiederbelebung nicht entgehen lassen.
Was genau?
Titel: Der Selbstmörderclub
Autor: Clément Baloup, Robert Louis Stevenson
Zeichner: Eddy Vaccaro
Umfang: 96 Seiten, Hardcover
Verlag: Splitter
Erschienen am: 01.07.2012
Preis: 19,80 €