Wer an klassische Horrorliteratur denkt, dem fallen oft Namen wie Bram Stoker, H.P. Lovecraft, Poe oder Mary Shelley ein. Mit ihren unglaublich spannenden Geschichten legten sie den Grundstein für ein sehr vielfältiges Genre. Ende des 20. Jahrhunderts verwandelten Comiczeichner diese Storys in wahrhafte Kunstwerke. Einer von ihnen war Bernie Wrightson.
Schmales Werk – Gigantischer Autor
In der Horror-Comic Szene ist Bernie Wrightson eine Ikone. Der am 27. Oktober 1948 geborene Illustrator schuf zahlreiche Arbeiten für die verschiedensten Anlässe. Neben Comics zeichnete er auch Cover-Arts für Magazine oder schuf die passenden Bilder zu einem Roman von Stephen King. Am bekanntesten ist jedoch sicherlich die Comicreihe «Swamp Thing», eine Figur, die er in Zusammenarbeit mit Len Wein 1971 entwarf. Für die Magazine «Creepy» und «Eerie» erarbeitete er zahlreiche Adaptionen der klassischen Horrorliteratur (um die es hier auch weiterhin gehen wird). Am 18. März 2017 verstarb Bernie Wrightson nach langen gesundheitlichen Problemen. Erst kurz davor hatte er seine Karriere beendet.
Düster & Detailreich – Sein Stil
Es ist unschwer einen Wrightson zu erkennen, wenn man einen vor sich hat: Meist schwarz-weiß, unglaublich detailliert und voller Atmosphäre. Sehr (sehr) viele Schraffuren schaffen zusammen mit silhouettenhaft ausgeblockten, schwarzen Flächen wunderbar düstere Kontraste und die passende Stimmung – jedes Panel aufs Neue. Auch die Arbeiten, die ohne oder mit nur wenigen Kreuzschraffuren auskommen, sind trotz ihres „weichen“ Aussehens definitiv keine Softies. Wrightson wählte für seine Charaktere immer den richtigen grotesken Gesichtsausdruck zum richtigen Zeitpunkt. So harmonieren sie sehr gut mit seinen Darstellungen der „Freaks“ und Monster in seinen Geschichten.
Dabei immer wiederkehrend: „Onkel Creepy“, ein alter, ausgemergelter Mann, der mit seinem Grinsen ähnlich wie der Cryptkeeper aus der Serie „Tales from the Crypt“ (1989) durch die einzelnen Geschichten im Magazin führte. Zusammen mit „Cousin Eerie“ sind diese Charaktere angelehnt an ähnliche Erzähler-Figuren aus den Horrormagazinen der 50er wie zum Beispiel „The Vault of Horror“ oder „Haunt of Fear“. Man fühlt sich beim Lesen in die Zeit der klassischen Grusel- und Horrorfilme der 70er und 80er Jahre versetzt, als Dario Agento „Suspiria“ drehte und Christopher Lee den Dracula verkörperte.
Neu aufgelegt – Der Sammelband vom Splitter Verlag
2014 erschien im Splitter Verlag die Gesamtausgabe von Wrightsons Werken, nachdem zunächst Dark Horse Comics die englische Version veröffentlichte. Auf über 140 Seiten kann der Leser in das gesamte künstlerische Spektrum eintauchen. Das Buch enthält 12 Kurzgeschichten und eine Sammlung verschiedener Cover-Arts und Illustrationen aus den Magazinen „Creepy“ und „Eerie“. Mit dabei sind unter anderem die Comic-Version von Edgar Allan Poes Kurzgeschichte „The Black Cat“ oder H.P. Lovecrafts „Cool Air“. Die verschiedenen Geschichten zeigen auch schön die verschiedenen Aspekte des Horrorgenres auf: Es müssen nicht immer die klassischen Monster sein. Auch unter den Menschen sind manchmal grausame Gestalten zu finden.
Die Cover-Arts sind eine klasse Ergänzung zu den Stories. Anders als diese sind sie farbig gedruckt. Meistens sind die wiederkehrenden Charaktere „Onkel Creepy“ und „Cousin Eerie“ zu sehen, aber jede Illustration ist für sich ein kleines Kunstwerk. Erwähnenswert ist auch das Format und die Druckqualität des Buches. Mit 32cm Höhe und 23cm Breite entsprechen die Maße dem Original-Magazin aus den 70er Jahren. Die Seiten sind etwas matter, was das Lesen sehr angenehm macht. Und das schwarz… ist TIEFSCHWARZ. Was will man mehr?
Mehr geht immer – mein Fazit
Ich habe die 70er und 80er Jahre nicht miterlebt, bin aber großer Fan von Comics, Filmen und Musik aus dieser Zeit. Die Stories aus diesem Sammelband sind hier definitiv keine Ausnahme. Das Einzige was ich mir gewünscht hätte: Mehr! Ich kann mir gut vorstellen, dass auch eine Story aus „Swamp Thing“ sehr gut zum Buch gepasst hätte. Da wir aber hier einen Sammelband der Magazine vor uns haben, kann ich das verschmerzen. Ich halte es für schwierig, diesen Comic blind jedem zu empfehlen. Wer sich jedoch gerne ein wenig gruselt, die klassische „Schauerliteratur“ mag oder mal ein wenig in der Zeit des Horror-Genres zurückreisen möchte, dem lege ich dieses Buch mit klammen Skelettfingern wärmstens ans Herz.
Was genau?
Titel: Creepy – Gesamtausgabe (Bernie Wrightson)
Verlag: Splitter
Autor: Howard Chaykin, Nicola Cuti, Bill Dubay, Carmine Infantino, Bruce Jones, Budd Lewis, Walt Simonson
Illustrationen: Bernie Wrightson
Preis: 22,80 €
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