Als waschechter Nerd besuche ich als Wikinger verkleidet Mittelaltermärkte, schaue Vikings auf Amazon und mag natürlich PC-Spiele. Demnach müsste Northgard, ein Wikinger-RTS im Siedler-Stil, genau mein Spiel sein. Also schnell das knapp 700MB große Spiel bei Steam heruntergeladen und angezockt. Wie’s war? Lest einfach weiter:
Look und Setting
Einem Vergleich muss sich Northgard stellen. Mit seinem Knuddel-Look erinnert das Spiel sehr an die Siedler-Reihe von Blue-Byte. Da mein Favorit Siedler 3 bereits 1998 erschienen ist, wird es Zeit, dass mal wieder jemand ein wuseliges und knuddeliges Aufbauspiel auf den Markt bringt.
Moderne Knuddeloptik bietet Northgard definitiv. Alles ist recht simpel gehalten. Die Objekte haben allesamt kaum detaillierte Texturen, was jedoch nicht negativ ist, sondern die simple Darstellung der Objekte und Personen unterstreicht. Schon auf den ersten Blick erkennt man, dass Northgard kein super realistisches und blutiges Spiel sein will, sondern mit einer reduzierten aber dennoch schönen Präsentation aufwartet. Dabei ist alles sehr stimmig dem Wikinger-Setting angepasst. Schiffe, Langhäuser, viele Äxte und Schilde, Helme und vor allem viele Kreaturen der nordischen Mythologie. Die Landschaften werden ebenfalls recht reduziert dargestellt, lassen den Spieler aber dennoch ins Spielgeschehen eintauchen. Daran haben vor allem die tollen Wettereffekte einen großen Anteil. Wenn der Winter hereinbricht fröstelt man fast etwas mit und wenn das ganze Land von Nebel heimgesucht wird, hofft man, dass kein Angriff der Draugr bevorsteht.
Aber auch abseits des eigentlichen Gameplays zeigt sich Northgard stimmig. Die Menüs haben ein schönes Design und die Präsentation der Geschichte erfolgt in gezeichneten Standbildern, die ebenfalls das Setting gut widerspiegeln. Erzählt wird eine recht einfache Rachegeschichte eines Wikingers, dessen Dorf niedergebrannt wurde. Den Übeltäter gilt es zu verfolgen und auszulöschen. Dazu bricht der Held mit einem kleinen Trupp an Wikingern auf, um den Feind zu suchen. Auf dem Weg dorthin werden Inseln erobert, mystische Kreaturen erledigt und andere Wikinger-Clans kennengelernt. Die Geschichte ist recht einfach gehalten, bietet aber dennoch noch genug, um die einzelnen Missionen sinnig miteinander zu verknüpfen.
Wuselige Wikinger
Das Gameplay des Spiels orientiert sich stark an der Siedler-Reihe. Das bedeutet, man setzt Produktionsgebäude, die dann von den Siedlern, ähm…Wikingern, bewirtschaftet werden. Dazu weist man einem neuen Bewohner seiner Siedlung einfach einen Beruf zu. So macht sich beispielsweise ein Holzfäller sofort auf zum Holzfällerlager. Hat ein Bewohner keinen speziellen Beruf bekommen, liegt er nicht einfach zuhause auf dem Sofa, sondern geht Nahrung für den Clan sammeln. Dies ist auch notwendig, da der Clan nur wächst, wenn genügend Ressourcen zur Verfügung stehen. Neben Nahrung und Holz, gilt es noch Steine, Erze und natürlich Geld zu sammeln. Holz wird zum Bauen von Gebäuden benötigt, Steine und Erze für Upgrades der Waffen und Handwerker, Geld für das Ausbilden von Kämpfern. Dies ist alles sehr logisch aufgebaut und beschert dem Spieler einen einfachen Einstieg.
Gleichzeitig ist diese einfach Produktion auch mein Kritikpunkt am Spiel. Hatte man bei Siedler für jede Ressource einen komplexen Produktionsweg, für den man mehrere Gebäude bauen und Lieferwege geschickt platzieren musste, genügt es bei Northgard ein einziges Gebäude zu bauen. Beispielsweise musste man die Baumstämme des Holzfällers zunächst zu einer Sägemühle transportieren, die aus dem Holz Bretter sägte. Diese wurden dann zur Weiterverarbeitung zum Lager oder zum Handwerker transportiert. Man hatte die produzierten Waren immer vor Augen. Bei Northgard hingegen wird die Produktion durch ein Gebäude und einer Zahl dargestellt, die anzeigt um wie viel Holz o.ä. sich der Bestand täglich vermehrt. Dadurch wirkt der Basenbau sehr schnell repetitiv, da man kaum etwas falsch machen kann. Hat man mal jedes Gebäude gebaut, fehlt es etwas an Langzeitmotivation. Wächst die Siedlung jedoch mal auf eine beträchtliche Größe heran, muss mit den Rohstoffen sinnvoll gehaushaltet werden. Ist nicht genug Nahrung vorhanden, werden die Wikinger sehr schnell sauer oder krank. Und man kann sich vorstellen, dass grummelige oder kranke Wikinger weder gut arbeiten, noch kämpfen.
Die Eroberung
Was Northgard aber sehr gut macht, ist die Eroberung der einzelnen Inseln. Legt man mit seinem kleinen Wikingerboot an der Küste an, hat man nicht viel mehr als ein Haupthaus und ein paar Arbeiter. Ein Stück Land steht einem somit zur Verfügung, alles darüber hinaus muss erst erkundet werden. Und das ist auch nötig, denn das Startgebiet hat nur Platz für fünf Gebäude. Man schickt also einen Erkunder los, der die Karte aufdeckt. Neue Landstriche können dann eingenommen werden, wenn geügend Nahrung vorhanden ist und das Gebiet nicht von Gegnern bewacht wird. In neu eroberten Gebieten lassen sich dann drei neue Gebäude platzieren. Man ist also auf ständige Expansion angewiesen. Zusätzlich zum Platz, bieten die Gebiete meist einen besonderen Bonus. Auf fruchtbarem Boden können Felder für die Nahrungsproduktion angelegt werden. Findet sich ein Steinvorkommen, ist dies der perfekte Platz für eine Miene. Somit muss ständig überlegt werden, welches Gebiet man am besten als nächstes erobert und wie man gleichzeitig das eigene Land verteidigt.
Kommt es dann doch mal zum Kampf, müssen die Wikinger ran. Diese lassen sich zu vier unterschiedlichen Klassen ausbilden, die nach dem Schere-Stein-Papier-Prinzip funktionieren. Gesteuert und gekämpft, wird RTS-typisch mit der Maus. Jeder schon einmal eine Echtzeitstartegie-Titel gespielt hat, wird sich sofort zurecht finden.
Single- vs. Multiplayer
Northgard ist eines der Paradebeispiele für eine gelungene Early-Access-Kampagne.
Das Spiel wurde frühzeitig veröffentlicht, damit sich die Community an der Entwicklung beteiligen kann. Dies scheint sich ausgezahlt zu haben. Durch ständige Updates und Patches kamen immer wieder neue Features hinzu. Den positiven Reviews zur Folge, gefielen diese den Spielern. Als letztes wurde, nach einiger Wartezeit, und pünktlich zum Release der Version 1.0, der Singleplayermodus mit einer vollständigen Kampagne hinzugefügt. Davor beschränkte sich das Spiel auf den Multiplayermodus. Es treten 6 Spieler, wahlweise in 2er oder 3er Teams gegeneinander an. Am Spielprinzip ändert sich nichts. Es gilt immer noch geschickt Ressourcen zu sammeln und die Gegend zu erkunden, bevor man sich mit seinen Wikingern in die Schlacht wirft.
Fazit
Für mich reicht Northgard nicht ganz an Siedler 3 heran. Dazu fehlen mir die Produktionswege und der Wuselfaktor. Hört man aber auf, ständig diesen Vergleich zu ziehen, und betrachtet Northgard als eigenständiges Spiel, erkennt man nach ein paar Runden die Stärken von Northgard. Hier liegt der Schwerpunkt eben mehr auf das geschickte Haushalten von Rohstoffen und Arbeitern und die Eroberung der Welt. Somit ist Northgard ein unterhaltsames Spiel geworden, das ich allen Aufbaustrategen und Wikingerfans ans Herz legen möchte.
Infos zum Spiel
Entwickler: Shiro Games – Bordeaux, France
Erhältlich für: PC, Mac, Linux
Website: northgard.net
Northgard bei Steam
Für alle Wikingerfans, hier noch ein kleiner Tipp: Wartile