Der Wochenmarkt-Test: Oldschool oder lohnenswert?
Bei jedem Besuch sind sie ganz wild darauf, morgens den Markt nicht zu verpassen. So kommen sie immer recht früh, um noch auf den Markt zu gehen. Nach ihrem Einkauf frühstücken wir zusammen. Da ist mir zum ersten Mal aufgefallen, wie lecker das eigentlich schmeckt: Frische Wurst, zahlreiche Käsesorten in einer Menge, die man selbst steuern kann, saisonales und erntefrisches Obst und Gemüse, Fleisch aus eigener Haltung und Schlachtung – und alles regional. Wie klingt das denn? Ha, eigentlich einfach geil!
Na dann – ab auf den Markt. Also wurde ich (mit ziemlich schlechter Laune nach dem frühen Aufstehen) zum Marktgänger auf Probe. Samstag, 8 Uhr: Wir laufen Richtung Markt, aber ohne Flechtkorb, allerdings ausgestattet mit einem Rucksack.
Bewegung an der frischen Luft
Vorteil an der frühen Uhrzeit ist, dass noch so gut wie gar nichts los ist. Draußen ist alles noch friedlich, kaum Autos, frische Luft bei (meist) gutem Wetter, Vogelgezwitscher – idyllisch könnte man fast sagen. Zusätzlich wird der Kreislauf nach dem Aufstehen angekurbelt und man tut seiner Gesundheit durch den kleinen Spaziergang auf den Wochenmarkt etwas Gutes. Klingt erst einmal banal, ist aber so. Denn einen vollbepackten Rucksack mit kiloweise Kartoffeln, Brot, Obst und Gemüse muss auch wieder nach Hause gebracht werden. Da hat man sich das Frühstück anschließend auch verdient.
Alles, was man braucht
Ich war total begeistert: Was es da so alles gibt! Ich dachte anfangs, dass dann ein paar Obst- und Gemüsestände gibt, fataler Irrtum. Es gibt hier alles, was für den alltäglichen (Lebensmittel-) Gebrauch benötigt wird. Riesige Auswahl an Obst (auch exotische Früchte), Gemüse, Fleich, Wurst, frische Pasta und Pesto, fangfrischer Fisch, Honig, Eier, Tee, Gewürze, Käse en masse, Brot, Brötchen, Milch, Antipasti, Wein, Apfelsaft – die Liste lässt sich unendlich erweitern. Ein Einkauf im Supermarkt ist somit eigentlich obsolet. Der erste Einkauf war dementsprechend auch etwas übertrieben: Wir hatten zwei Rucksäcke voll eingekauft und zahlreiche Extra-(Papier)-Tüten in der Hand – wohlbemerkt für einen Zwei-Personen-Haushalt. Aber es sah alles soooooo lecker aus.
(Fast) alles regional & fresh
Das Tollste an dem ganzen ist, dass man weiß, woher die Lebensmittel stammen. Hier gibt es noch „echten“ Honig, der nicht aus EU- und Nicht-EU-Ländern gemischt wurde, sondern vom Imker um die Ecke.
Das Obst und Gemüse wird direkt nebenan angebaut sowie geerntet und das Fleisch wird noch aus eigener Haltung oder regionalen Schlachtern bezogen und eigenständig verarbeitet.
Der Trend mit der bewussten Ernährung und Produkten, die einen gewissenhaften Verzehr ermöglichen – er hat mich. Alles, was nicht in der Region anbaubar ist (zumindest nicht ohne die Zugabe von Pestiziden oder ähnlichem), wird von ausgewählten Händlern der jeweiligen Länder bezogen. Hier kann man auch getrost einfach mal nachfragen, woher die Produkte stammen und ausnahmslos alle geben bereitwillig Auskunft. Einmal Naschen und Probieren ist natürlich inklusive. Beispiel: Die besten Blutorangen, die ich je gegessen habe und mittlerweile recht traurig bin, dass sie keine Saison mehr haben und ich kein Eis mehr daraus machen kann.
- Yammi – Avocadobrötchen
- Lecker Fisch, Kartoffeln mit grüner Sauce
- Bunter Kartoffelsalat mit frischem Gemüse
Saisonale Abwechslung
Aber nun habe ich etwas, auf das ich mich in den nächsten Monaten freuen kann. Die Orangen-Saison. Generell bieten alle Stände Produkte, die auch zu diesem Zeitpunkt tatsächlich Saison hat: Bärlauch, Spargel, Kirschen, Erdbeeren, Pflaumen. So ist auf dem Wochenmarkt Abwechslung geboten und vermittelt zugleich das Gefühl, dass frische Ernte eingekauft wird.
Geschmack irrt nicht
Ist man einmal die Abpackwurst aus dem Supermarkt gewöhnt, die natürlich nicht unbedingt weniger gut sein muss, als die Wurst vom Metzger auf dem Wochenmarkt, wird man als Wurstliebhaber den Unterschied direkt schmecken. Natürlich schmeckt das rein psychologisch betrachtet schon besser, da man ja auf dem Markt frisch einkaufen war. Wir haben aus Jux den Test gewagt und nach einigen Wochen mal wieder eine Packung Wurst aus dem Supermarkt gekauft – es hat uns beiden nicht geschmeckt. Mittlerweile sind wir wohl etwas verwöhnt. Und ich bin kein bekennender Wurstliebhaber. Nicht nur der Geschmack ist anders, auch das frische Obst oder Gemüse riecht viel intensiver. Einfach mal duften.
Eigene Mengenangaben
Als Einzelperson und auch in einem Zwei-Personen-Haushalt ist es manchmal schwierig im Supermarkt eine geeignete Menge an abgepackten Lebensmitteln zu erwerben. Die Packungen sind oft einfach zu groß, sodass die Menge nie aufgebraucht werden kann und anschließend verdirbt (wenn man kein Foodsharing betreibt) oder nur der Wurf in die Mülltonne übrig bleibt. Traurig, zumal Lebensmittel ein überlebensnotwendiges Gut sind und bewusst damit umgegangen werden sollte. Supermärkte haben den Trend natürlich auch erkannt und stellen sich mehr und mehr auf die zunehmende Anzahl an Single-Haushalten ein, indem auch kleine Portionen zum Kauf angeboten werden. Auf dem Wochenmarkt ist das generell kein Problem, denn hier können Mengenangaben einfach selbst gesteuert werden. Ich nehme dann nur 50 Gramm Wurst mit und ein kleines Stück Käse, den der Käsemann erst einmal vom Rad schneiden muss. So hat man nach zwei-drei Mal die richtige Menge raus und kauft dementsprechend nur das, was auch innerhalb einer Woche aufgebraucht werden kann. So vermeiden wir nicht nur das ungewollte Wegschmeißen der Reste, sondern essen auch bewusster bestimmte Mengen.
Müll vermeiden
Zusätzlicher Pluspunkt ist das Vermeiden von Müllbergen. Es gibt tatsächlich Verpackungen, die so konstruiert sind, dass sie mich richtig aggressiv machen, wenn ich an den Inhalt kommen möchte. Doppelt verpackt oder jeder einzelne Bestandteil ist noch einmal zusätzlich verpackt – die Verpackung in der Verpackung. Ob das immer alles nötig ist, frage ich mich schon lange. Meist hat dies ja mit irgendwelchen Vorgaben und hygienischen Aspekten zu tun. Auf dem Markt ist das anders: Einige arbeiten mit Papiertüten (wie früher, das macht die Industrie nun auch wieder), man bringt sein eigenes Behältnis mit oder legt alles einfach lose in seine Tasche, Korb oder seinen Rucksack. Wie den Bildern zu entnehmen, verwenden auch auf dem Wochenmarkt noch einige die kleinen Plastiktüten wie sie im Supermarkt an der Obst- und Gemüseabteilung zu finden sind, aber immerhin wird hier nichts zweimal verpackt. Auf Wunsch werden diese auch einfach weggelassen oder es gibt eben ein Tüte für mehrere Sorten, die eingekauft werden. So oder so: es fällt wesentlich weniger Müll an.
- Wochenmarkt – Blümchen, Brokkoli, Tee, Wurst und Käse
- Wochenmarkt – Nudeln, Kartoffeln, Salat, Fleisch, Zitronen, Bananen
- Wochenmarkt – Eier, Äpfel, Paprika, lecker Radieschen, Kürbis, Fisch
Da kennt man sich noch
Wird man zum regelmäßgen Wochenmarktgänger, hat man seine Lieblingsstände bald gefunden. Der beste Metzger, der beste Obststand, der beste Brotbäcker, der beste Honigmann. Oft werden viele Produkte standardmäßig jede Woche in den Korb gelegt – das merken auch die Händler und Verkäufer. Oft wissen sie dann schon, was man braucht, halten noch ein kleines Schwätzchen, haben einen Koch- oder Aufbewahrungstipp auf Lager oder geben eine kleine Kostprobe vom aktuellen Bestseller. Hier kennt man seine Kunden dann doch noch, persönlich oder auch nur vom Einkaufen. Keine Panik: Für alle, die nicht gerne reden oder denen das dann doch zu persönlich ist – das ist kein Muss. Ich mag es sehr, wenn die Händler noch ein, zwei Sätze austauschen und wissen, dass du auch letzte Woche an ihrem Stand etwas eingekauft hast.
Die Urgesteine
Zu meinem Erstaunen sind grundsätzlich alle Standbesitzer und Mitarbeiter wahnsinnig freundlich. Nicht aufgesetzt oder gezwungen, sondern authentisch und auch mal auf ihre Art. Besonders bemerkenswert ist, dass an fast allen Ständen Generationen Hand in Hand zusammenarbeiten. Da ist der Enkel, der Papa, der Opa und auch mal der Ur-Opa vor Ort und packen kräftig mit an. Die Waage betätigen auch noch die Herren, die zu Omas Zeiten jung und dynamisch waren. Wahnsinn, wie sie die anstrengende Arbeit mit Leidenschaft ausüben! Immer einen Spruch auf den Lippen, packt dir der Herr im hohen Alter (um die 80-85) und Buckel deine Taschen voll und freut sich wie hulle, dass du dich so freust und Lust auf seine Produkte hast. Das zu beobachten macht unheimlich viel Freude und ich hoffe, dass ich in diesem Alter auch noch so fit und gut gelaunt bin. Auf Nachfrage, wie lange er das denn schon macht, kommt nur ein selbstverständliches Lächeln und die Antwort: „So lange ich denken kann. Und das mache ich, bis ich nicht mehr kann!“.
Teuer, oder?
Jetzt fragt man sich natürlich zu recht, ob man sich das als Normalsterblicher überhaupt leisten kann: Man kann. Rechnet man mal alles zusammen, ist es gesamt mit Sicherheit ein paar Euro teurer. 100 Gramm Rindersalami kostet frisch auf dem Markt 3 Euro, die gibt es im Laden günstiger, aber kann man die Qualität vergleichen? Zu zweit geben wir wöchentlich 50-80 € aus. Klingt erst einmal viel, aber dazu gesagt: Das reicht dann auch für eine Woche. Die Freude, Qualität, Geschmack und das gute Gewissen regional einzukaufen, sind mir das allemal wert.
Eine Lanze für den Wochenmarkt: Resümee
Ich muss zugeben, dass wir mittlerweile – dank der Eltern meines Freundes – auch einen Flechtkorb haben und oldschool einkaufen gehen. Somit hat der Wochenmarkt den Test bestanden und ich bin kein Marktgänger auf Probe mehr, sondern nun auch überzeugter Marktgänger. Im Supermarkt werden so gut wie ausschließlich nur noch Haushaltswaren wie Waschmittel und Putzlumpen gekauft.
Letztendlich muss jeder selbst entscheiden, wo er einkaufen geht und ob ein Wochenmarkt das Richige ist. Es macht auf jeden Fall eine Menge Laune (mittlerweile auch um 8 Uhr morgens) und ich bilde mir ein, dass es besser schmeckt und das Gewissen, regional einzukaufen auch ein klarer Pluspunkt ist. Gebt dem Wochenmarkt eine Chance und probiert’s doch einfach mal selbst aus.
Wo ist bei mir der Wochenmarkt?
Die Wochenmärkte finden fast in jedem Ort und jeder Stadt auf dem Marktplatz (oder einem größeren, bekannten Platz) mittwochs und samstags ab 6 Uhr (im Sommer) und ab 7 Uhr (im Winter) statt – zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wetter. In größeren Städten sind sie zusätzlich in Stadtnähe auch vermehrt werktags. Auskunft über Märkte in deiner Nähe findest du in deiner Tageszeitung oder auch auf der jeweiligen Website der Stadt oder dem Tourismusbüro. Viel Spaß beim Einkaufen!