„Du hockst doch nur vor dem Bildschirm und daddelst!“ – Egal wo wir stehen und wo wir hinsehen: Spiele sind omnipräsent. Entweder zocken wir aus Zeitvertreib, als Hobby, vielleicht sogar schon als eine Art Passion oder weil es da manche Menschen auf der Welt gibt, die ihre Leidenschaft als Verdienstmöglichkeiten ansehen können. Und dennoch gibt es in der eigenen Umgebung, sei es die ältere Generation oder gar jemand, der sich mit dem Thema Computerspiele so gar nicht auskennt, immer diesen einen, der die Augenbraue verwirrt hochzieht.
So oder so: Zu oft wird noch bemängelt, Computerspiele seien Zeitverschwendung. Auf jeden Fall nichts, was einen weiterbringt und in den Medien hört man ja noch zu oft, dass „Killerspiele“ zu Amokläufen führen, obwohl jedes Kind in meinem Umfeld gefühlt eine Playstation 4 besitzt.
Wir wissen mittlerweile alle, dass Vorurteile gegenüber Gamern (meist) großer Schwachsinn sind, aber oft fehlen die passenden Argumente, unsere Gesellschaft vom Gegenteil zu überzeugen. Und wenn sie dann da sind, kommt meistens das Gegenargument: „Ja, aber die und die Studien zeigen…“ Es wird also mit Pseudowissenschaft umhergeworfen. Wie gut, dass es jetzt ein literarisches Werk auf dem Markt gibt, dass man dem Zweifler in die Hände drücken kann.
Ein Buchprojekt für und mit Jugendlichen. Und für alle Interessierte.
Dabei wird nicht mit hochwissenschaftlichen Wörtern geschmissen, so dass man nach kürzester Zeit das Buch wieder weglegt. Das Buch „Spiel versus Leben – wie Computerspiele unser Leben verändern“ wurde zu einem gelungenen Ergebnis eines Projektes der Pina-Bausch-Gesamtschule in Kooperation mit der Bergischen Universität Wuppertal. Schüler*innen und Student*innen haben dafür zusammengearbeitet, sich gegenseitig unterstützt und motiviert. Ein ganzes Jahr lang. Und vorab: das Endprodukt lässt sich sehen. Es ist ein Buch für alle die, die sich mit dem Thema Spiele im Alltag auseinandersetzen wollen, ob es nun die Eltern sind, junge Erwachsene oder Schüler. Wenn noch so geringes Interesse daran besteht, mal nachzulesen, was und wie sich das Spielen positiv auf den ein oder anderen auswirken kann, dann ist das Buch perfekt!
Mit Liebe gestaltet, mit Bedacht geschrieben
Das Buch rasselt Fakten und die Aufsätze der Schüler nicht einfach so runter, anstatt Fußnoten, die man bei Fachabhandlung unter dem Text liest, wurden Infos und Anmerkungen, wie auch ab und an witzige Kommentare in den Seiten passend in verschiedene Ecken untergebracht. Auch Screenshots, wenn man den die Erlaubnisse vom Publisher hatte, wurden in den Beiträgen abgedruckt. Jedes Kapitel kann einzeln gelesen werden und ein Leser benötigt kein Vorwissen. Aufgebaut ist das Buch in drei große Kapitel:
- Computerspiele werden im ersten Teil als Lerngelegenheit gesehen und dies wird mit Beiträgen abgehandelt. Kurz wird die Historie von Games und ihren Konsolen wiedergegeben und auch verschiedene Genres werden gut und kurz erklärt. Zentral geht es um die Fragen, ob man gut lernt und wie oder was man lernt. Besonders interessant: Das Phänomen „Gamification“, das als zunehmend wichtiger Bestandteil in unserer Gesellschaft aufkommt.
- Im zweiten Teil geht es um die Spiele selbst. Das sind die Beiträge, an denen mehrere jüngere Menschen zusammengearbeitet haben und z.B. Assassins Creed – Syndicate und The Witcher III gegenübergestellt haben, um zu untersuchen, was man aus diesen beiden lernen kann und welche Unterschiede es gibt. Mit viel Herzblut wurde sich darum gekümmert, die Spiele genau vorzustellen – Achtung: Es gibt Spoiler zur Story, die mit lustigen Käfersymbolen hervorgehoben werden – mit der richtigen Tonalität und Strukturaufbau. Zu Informationszwecken wurden die Details der Spiele in Steckbriefen vorgestellt, um dem späteren Lesefluss besser folgen zu können.
- Wer sich nach oder vor dem Lesen der Beiträge ein Bild davon machen möchte, wie gearbeitet wurde und was es vielleicht für Probleme bei der Erstellung der Texte gab: Im dritten Teil des Buches wurden Schüler und Studenten interviewt und konnten ihren Senf ohne Zensur abgeben. Aber in allem bemerkt man, dass allesamt froh sind, dass sich die Anstrengung gelohnt hat. Auch Lehrkräfte der Schule kommen zu Wort und bemerken, dass sie von den Leistungen ihrer Schüler sehr angetan waren.
Live vor Ort – die Buchpräsentation in der ‚boerse‘
Neben dem großen Eigeninteresse, das ich für dieses Buch hatte, wurde ich privat noch auf den Abend der Buchpräsentation eingeladen, die im Dezember 2017 stattfand. Im Kommunikationszentrum ‚die boerse‘ waren an diesem Abend allesamt Studenten, Schüler, Freunde und Familie, aber auch die Lehrkräfte und Herausgeber anwesend. Es gab was zu trinken und auf der Bühne wurde im gemütlichen Ambiente noch mal beleuchtet, wie es zu dem Projekt kam und welche Intention dahintersteckte. Wie im Buch wurde vorgestellt, was Computer- und Videospiele in unserer heutigen Zeit für einen Stellenwert haben, wie sie funktionieren und auch wie sie im Stande dazu sind, zu motivieren und was sie bringen.
Die Stars an dem Abend waren die Schüler und Studenten, die mitgewirkt hatten und in Form eines kleinen Interviews nochmal kundgaben, dass Eltern keine Berührungsängste haben und offen für Auseinandersetzungen mit diesem Hobby sein sollen, das ihre Kinder so beschäftigt (denn einen Pauseknopf gibt es oftmals nicht ?). Eindeutig war, dass jeder der Personen schon früh seine/ihre Erfahrungen mit Videospielen gemacht hat, nur eine der betreuenden Studentinnen hat für das Projekt zum ersten Mal mit dem Spielen angefangen – und es habe ihr sogar gefallen! Einstimmig bemerkten die Vortragenden, dass Games Lerneffekte wie logisches Denken, kognitive und Sprachfähigkeiten fördern und auch die eigene Frustrationsgrenze austesten lässt.
Der wichtigste Stichpunkt allerdings, laut Herausgebern und Lehrkräften, die vor und nach den Schülern und Studenten auftraten, war das Thema „Lernen“.
Der Erfolg sei bei so einem Projekt ungewiss und man müsse sich von beiden Seiten auf die Thematik einlassen, und doch ist am Ende ein schönes, vorzeigbare Medium entstanden, auf das jeder der Mitwirkenden stolz sein kann.
Für jeden, den das Thema interessiert – ein Fazit
Wir alle daddeln, wir alle spielen. Es ist erfrischend, ein Buch zu lesen, in dem es nicht nur heißt, dass Videospiele aggressiv machen und zu Amokläufen führen, Konzentrationsschwächen hervorbringt und dass man durch zu wenig Bewegung unsportlich und ungesund wird. Menschen, die sich nicht mit dem Thema von vornerein auskannten, haben es versucht und einen positiven Effekt aus dieser Beschäftigung gezogen, wahrscheinlich wurden Vorurteile dadurch sogar dezimiert. Es ist schön zu sehen, dass Bildungsstätten solche Projekte ermöglichen und zeigen, dass man auch eine positive Verantwortung gegenüber Games haben und ziehen kann. Wer das seinem Umfeld nahebringen möchte, für den ist das Buch ein kleiner Geheimtipp.
Was genau?
Titel: Spiel versus Leben. Wie Computerspiele unser Leben verändern.
Herausgeber: Fabien Mauruschat, Matthias Rürup, Timothy Schäfer, Janine Schledjewski
Verlag: Verlag 3.0
Seitenzahl:
Jahr: Dezember 2017
Preis: 14,90 Euro